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perl-setistats/info/Zeitsysteme.html

243 lines
7.4 KiB
HTML

<html>
<head>
<title>Vertiefte Informationen Geodätische Astronomie, Zeitsysteme</title>
<link rel=stylesheet href=/scherer/css/astro.css type="text/css">
</head>
<body>
<h1>Geodätische Astronomie, Zeitsysteme</h1>
<dl>
<dt>Zeitsysteme in der Geodätischen Astronomie
<dd><a href="#UT">Universal Time</a> UT
<dd><a href="#GMST">Greenwich Sidereal Time</a> GMST, GAST
<dd><a href="#LMST">Local Sidereal Time</a> LMST, LAST
<dd><a href="#Rechnung">Berechnungen</a>
</dl>
<p class=bs>
In der Astronomie benötigt man verschiedene Zeitsysteme für die Darstellung
der sich zeitlich verändernden Verhältnisse zwischen den Himmelskörpern und
der Situation auf der Erde als Beobachtungsplattform. Im alltäglichen Leben
spielt dabei die <strong>Sonnenzeit</strong> eine zentrale Rolle, während zur
Beschreibung der Himmelsmechanik sich die <strong>Sternzeit</strong> weit
besser eignet.
<p class=bs>
Der wesentliche Unterschied beider Zeitsysteme ist der Bezug: 24h Sonnenzeit
ist der Zeitabschnitt zweier aufeinanderfolgender oberer Kulminationen der
Sonne, 24h Sternzeit ist der Zeitabschnitt zweier aufeinanderfolgender oberer
Kulminationen eines Sterns. Infolge der Translation der Erde um die Sonne
relativ zum System der Sterne variieren die Zeitsysteme jährlich um 1 Tag, also
ca 4m pro Tag. Dabei gilt:
<p>
<a name="(1)"><table width="100%" border=0>
<tr>
<td class=l>24h Sternzeit = 23h56m04s Sonnenzeit</td>
<td class=r>(1)</td>
</table></a>
<p class=bs>
Als Bezugsrichtung der Sternzeit wird anstatt eines Sterns der Frühlingspunkt
verwendet. Er befindet sich auf der Schnittgeraden von Himmelsäquator- und
Ekliptikebene.
<p class=bs>
Hinsichtlich der Zeiten kann man noch zwischen <strong>mittleren</strong> und
<strong>wahren</strong> Zeitangaben unterscheiden. Im Rahmen der mittleren
Zeitangaben wird die Bewegung der Referenz (Sonne/Frühlingspunkt) unter der
Annahme
einer ungestörten Ekliptik beschrieben (einfaches Präzessionsmodell), während
die wahren Zeitangaben aus der zusätzlichen Berücksichtigung des
Nutationsmodells resultieren. Beide Angaben unterscheiden sich:
<dl>
<dt>im Fall der Sternzeit
<dd>um die <em>Equation of Equinox</em> EqE
<p>
<dt>im Fall der Sonnenzeit
<dd>um die <em>Equation of Time</em> EqT (Zeitgleichung)
</dl>
<hr>
<a name="UT"><h2>UT</h2></a>
<p class=bs>
UT (Universal Time) ist eine definierte gleichförmige Zeit (Atomuhren), die auf
das Zeitsystem Sonnenzeit bezogen ist. UT stellt eine Annäherung an die
mittlere Sonnenzeit UT1 dar, die jedoch nicht gleichförmig ist. Infolgedessen
muß die gleichförmige Zeit der Atomuhren um ganze Schaltsekunden verändert
werden, falls |UT-UT1|>0.7s wird. Die aktuellen Unterschiede zwischen UT und UT1
kann man den ERP-Dateien (earth rotation parameters) des
<a href="http://hpiers.obspm.fr/">IERS</a> entnehmen.
<p class=bs>
Zeitangaben in UT beziehen sich auf den Nullmeridian von Greenwich. UT1 wird
auch GMT (Greenwich Mean Time) genannt. Die zugehörige wahre Zeitangabe GAT
(Greenwich Apparent Time) unterscheidet sich von GMT um die Zeitgleichung EqT je
nach Jahreszeit um mehrere Minuten. Analog definiert sind die lokalen
Sonnenzeiten LMT (local mean time) und LAT (local apparent time). Sie bestimmen
sich zu:
<p>
<a name="(2)"><table width="100%" border=0>
<tr>
<td class=l>{LMT,LAT} = {GMT,GAT} + <i>lambda</i>/15</td>
<td class=r>(2)</td>
</table></a>
<p class=bs>
mit der geografischen Länge <i>lambda</i> des Ortsmeridians in [°]. Der aktuelle
Wert der Zeitgleichung EqT kann z.B. dem <quote>Star Almanac for Land
Surveyors</quote> entnommen werden.
<p class=bs>
Bei der astro-geodätischen Beobachtung wird im folgenden davon ausgegangen, daß
UT durch den Einsatz entsprechender Zeitzeichenempfänger (z.B. Zeitzeichen DCF77
der <a href="http://www.ptb.de/deutsch/org/4/43/hp.htm">Physikalisch-Technischen
Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig</a>) vorliegt.
<p>
<hr>
<a name="GMST"><h2>GMST / GAST</h2></a>
<p class=bs>
Die Greenwicher Sternzeitangaben GMST und GAST berechnen sich aus dem Winkel
(genannt <quote>Stundenwinkel</quote> zwischen der raumfesten Richtung zum
Frühlingspunkt und dem Nullmeridian von Greenwich, der an der Erdrotation
teilnimmt. Der Unterschied zwischen der mittleren und der wahren Zeitdarstellung
ergibt sich aus dem Grad der Modellierung der Erdrotation (ohne/mit
Nutationsmodell) und wird durch die EqE beschrieben.
<p class=bs>
Wie die Sonnenzeit <a href="#UT">UT</a> bildet der Nullmeridian von Greenwich
die Bezugsrichtung im äquatorialen Koordinatensystem. Zwischen UT und GMST
existiert eine einfache Beziehung, die auf den Bezugsepoche J.2000 (01-Jan-2000,
12.00UT) aufsetzt:
<p>
<a name="(3)"><table width="100%" border=0>
<tr>
<td class=l>GMST = 6h41m50.548s + UT + (8640184.812866 <i>T</i>
+ 0.093104 <i>T</i><sup>2</sup>
- 0.0000062 <i>T</i><sup>3</sup>)s</td>
<td class=r>(3)</td>
</table></a>
<p class=bs>
Dabei bezeichnet <i>T</i> den zeitlichen Abstand des aktuellen Zeitpunktes UT
von der Bezugsepoche in Julianischen Jahrhunderten zu je 36525 Tagen, wie er
nach <a href="#(4)">(4)</a> berechnet werden kann. Für den 01-Jul-1998
beispielsweise beträgt <i>T</i> = -1.500.
<p>
<a name="(4)"><table width="100%" border=0>
<tr>
<td class=l><i>T</i> = (<i>JD</i> - 2451545.0)/36525</td>
<td class=r>(4)</td>
</table></a>
<p class=bs>
Zur Berechnung eignet sich besonders die Verwendung des Julianischen
Datums <i>JD</i> <a href="#(5)">(5)</a> für den aktuellen Zeitpunkt. Für die
Ableitung von <i>T</i> ist es ausreichend, die UT-Zeit der Atomuhr einzusetzen.
Strenggenommen muß das Zeitmaß UT1 in die Formeln <a href="#(5)">(5)</a> Eingang
finden.
<p class=bs>
Die Eingabe der UT-Zeit wird in ihre Bestandteile zerlegt:
<ul>
<li><i>h</i> = UT-Zeit in dezimalen Stunden
<li><i>d</i> = Tag
<li><i>m</i> = Monat
<li><i>j</i> = Jahr
</ul>
<p class=bs>
Falls Umwandlungen für die Monate Januar (<i>m</i>=1) oder Februar (<i>m</i>=2)
berechnet werden sollen, müssen folgende Zuordnungen für die Monatszahl <i>m</i>
und Jahreszahl <i>j</i> geändert werden (Problematik: Schaltjahre):
<ul>
<li><i>m</i> := <i>m</i> + 12
<li><i>j</i> := <i>j</i> - 1
</ul>
<p class=bs>
Dann gilt für das Julianische Datum <i>JD</i>:
<p>
<a name="(5)"><table width="100%" border=0>
<tr>
<td class=l><i>A</i> = int(<i>j</i>/100<br>
<i>B</i> = 2 - <i>A</i> + int(<i>A</i>/4)<br>
<i>C</i> = <i>h</i>/24<br>
<i>JD</i> = int(365.25<i>j</i>) + int(30.6001(<i>m</i>+1) + <i>d</i>
+ 1720994.5 + <i>B</i> + <i>C</i></td>
<td class=r id=mehrfach>(5)</td>
</table></a>
<p>
<hr>
<a name="LMST"><h2>LMST / LAST</h2></a>
<p class=bs>
Die lokalen Sternzeiten LMST und LAST sind analog zu den Greenwicher Sternzeiten
definiert. Lediglich der Bezugsmeridian ist verschieden, im Fall der lokalen
Sternzeiten bildet der Ortsmeridian mit der geografischen Länge <i>lambda</i>
die Referenz für den Stundenwinkel.
<p class=bs>
Die Umrechnung zwischen lokalen und Greenwicher Sternzeiten erfolgt unter
sinngemäßer Anwendung von <a href="#(2)">(2)</a>.
<p>
<hr>
<a name="Rechnung"><h2>Berechnungen</h2></a>
<ul>
<li>Konversion der Zeitsysteme
<a href="http://habicht.bauv.unibw-muenchen.de/ex-scherer/ast1-UTST.html">UT
&lt;-&gt; Sternzeit</a>
<li>Berechnung
<a href="http://habicht.bauv.unibw-muenchen.de/ex-scherer/ast1-JD.html">
Julianisches Datum <i>JD</i></a>
</ul>
<hr>
<address>Institut für Geodäsie | Universität der Bundeswehr München</address>
Bernd Scherer <b>a91alvub@unibw-muenchen.de</b> [01-Jul-1998]